Bis dass das Haus uns scheidet…
Der Weg ist also geebnet, die großen Träume zu erfüllen. Ein Mann soll ein Haus bauen, einen Baum pflanzen und einen Sohn zeugen. Und schon mit Teil 1 der Lebensaufgabe nimmt das Unheil seinen Lauf! Sie will in die Stadt ziehen, ist ja auch viel praktischer, alles in der Nähe, Supermarkt, Kindergarten, Schule. Er will auf’s Land, weg vom Stress und bitte kein Verkehrslärm. Man einigt sich: Ein Grundstück wird gesucht und gefunden, am Rande einer Kleinstadt, ländliche Idylle Richtung Osten, perfekte Infrastruktur (schickes Neubaugebiet!) Richtung Westen, das nennt man einen top Kompromiss.
Und was soll gebaut werden? Sie schwärmt von einer kleinen Stadtvilla im klassischen Stil, elegant, repräsentativ, pflegeleicht. Er hat die deutlich günstigere Vision vom eigenen Entwurf, hier ein Erker, da ein Giebel, dort ein Türmchen… man trifft sich erneut in der bewährten Mitte: anderthalbgeschossig mit drei Giebeln, Wintergarten und Keller, gar nicht mal so schlecht, ein Doppelcarport räumt den letzten Zweifel an ausreichend Stauraum aus.
Die Ruhe vor dem Sturm
Hach ja, die Liebe und die Euphorie lassen bis zu diesem Punkt immer noch jede Hürde gemeinsam mit einem Lächeln überwinden. Auch die Innenaufteilung des neuen Eigenheims folgt demzufolge dem üblichen Schema: Erst hat jeder seinen eigenen Plan, sie will’s schön, er bitte nicht zu teuer, sie will baden, er sagt Duschen reicht, man trifft sich in der Mitte, irgendwie … beinahe langweilig, diese Harmonie!
Aber Achtung. Ab jetzt beginnt sie, die Ratenzahlung. Sollte ja alles zu wuppen sein, schließlich hat der sparsame Mann das Konzept „Hausbau mit Eigenleistung“ gewählt, da wird eben einfach viel selber gemacht! Also, nicht nur Ratenzahlung, sondern nun auch noch Schuften auf dem Bau nach der Arbeit. So langsam kommt die Harmonie ins Schwitzen.
Klappe und Action!
Der Einzugstermin ist da. Endlich! Drei Tage und Nächte durchackern, so ein Haus räumt sich ja nicht von alleine ein. Da liegen die Nerven schon mal blank, ist ja auch ein Stress, aber bald geschafft. Wer es bis jetzt noch nicht ahnt: Die Nerven werden ab jetzt immer blank liegen. Jeden Abend heimkommen und am Haus weiterschuften ist kein Spaziergang. An jedem Ende knapsen und sparen, der Streit ist vorprogrammiert. Das Bad sollte längst fertig sein, die Auffahrt muss dringend gepflastert werden, die Terrasse immer noch ein Provisorium, doch Geld und Zeit und vor allem Geduld reichen hinten und vorne nicht, schon gar nicht, bis das Haus abgezahlt ist.
Du bist Schuld!
Ich hab’s dir gleich gesagt!
Du immer mit deinem Geiz!
Wirf das Geld nicht zum Fenster raus!
Fliesen sind mir aber zu kalt!
Parkett ist mir aber zu teuer!
Ach – mit dir kann man ja nicht reden!
Traum und Wirklichkeit
Ist es echte Liebe? Dann sollte man sie meiden, die Neubaugebiete. Über ihnen liegt der ehefeindliche Fluch, sie haben sie alle auf dem Gewissen, die Scheidungen, die Privatinsolvenzen, die menschlichen Tragödien. Günstig Häuser kaufen ist ein Widerspruch in sich. Dann doch lieber eine nette Altbauwohnung, vielleicht Parterre mit Garten dran, monatliche Miete und keine Scherereien.
Oder?
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