Gutes muss nicht immer teuer sein. Ich habe früher selbst in einem Betrieb gearbeitet, wo wir mit der Herstellung und dem Vertrieb von Cashmere-Produkten zu tun hatten. Unser größter Auftraggeber war eine Warenhausgruppe in der Schweiz und jedes Jahr aufs Neue haben wir eine Spitzenqualität zu einem guten Preis hingekriegt. Das ging aber nur über aufwendige Testverfahren in jedem Schritt der Produktion: vom Ankauf der Rohware, über das Spinnen bis hin zum Stricken und Fertigen der Strickteile – an jeder Station  wurde stichprobenartig Ware zum Testen entnommen, um sicher zu gehen, dass am Schluss auch wirklich ein qualitativ hochwertiges 100%iges Cashmere-Produkt in den Verkauf geht, an dem der Kunde auch lange Spaß hat.

Pulli Cashmere

Eine Cashmereziege gibt pro Jahr nur etwa 500g Wolle ab, welche ausgekämmt und nicht etwa geschoren wird. Es werden nur die feinen, weichen Unterhaare ausgekämmt und ich meine mich zu erinnern, dass die vom Brust-Bauchbereich speziell lang sind.

Und genau die Länge des weichen Flammhaares ist mit der wichtigste Punkt, wo sich der Spreu vom Weizen trennt: je länger, desto besser…. denn wer kennt es nicht: ich kaufe einen tollen neuen Pulli, doch schon nach dem ersten Tag bilden sich kleine Knötchen an den Stellen, wo viel Reibung ist! Und schon sieht der Pulli nicht mehr glatt und edel aus, was generell schon so ärgerlich ist, aber umso mehr schmerzt, wenn das Teil teuer war.

Cashmere Jacke

Dieses Pilling tritt auf, wenn bei der Herstellung des Garnes mehrheitlich kurze Fasern versponnen wurden… dann stehen entlang des Garnes ganz viele Enden hervor, die sich bei Reibung miteinander verknoten und sich langsam rausarbeiten. Lange Fasern bieten da weniger Angriffsfläche und das Garn hat somit einen niedrigen Pillingwert. Leider kann man dies dem Kleidungsstück im Laden nicht ansehen.

Cashmerepullover

Auch vom Verkaufspreis lässt sich nicht unbedingt ableiten, wie gut die Qualität tatsächlich ist… Ich erinnere mich, dass damals in der Schweiz das Warenhausprodukt bei einem der ersten unabhängigen Warentests besser abschnitt als der mehr als doppelt so teure Markenpullover!

Die vielen Kontrollen sind für den Hersteller zwar aufwändig und kostspielig, bei einer ordentlichen Bestellmenge aber durchaus wünschenswert und – wie ich meine – eine Investition zugunsten der Kunden, welche sich schlussendlich durch Zufriedenheit und Treue ausbezahlt: Ein entsprechender Vermerk auf dem Etikett könnte dem Kunden bei der Verkaufsentscheidung helfen.

Pullover

Ich habe diese Woche bei Aldi den Seide-Cashmere Pullover gekauft (ohne Vermerk auf dem Etikett): leider pillte der gleich nach dem ersten Tragen mehr als meine langjährig getragenen Cashmerestrickteile. Schade, hat der Hersteller nicht etwas mehr in Kontrollen investiert, so werde ich leider nicht lange Freude an dem Pullover haben.

Schade auch um die kostbaren Ressourcen: an meinen neuen Pulli sind ca.70g Cashmerewolle dran – eine Ziege muss für 7 Pullis ein Jahr lang „arbeiten“… solange wird dieser Pulli wohl nur halten, wenn ich ihn nicht anziehe…